Heidi Ohl geht in Ihrem Brief an die Stadtverordneten der Stadt Hanau auf die Lage des Feldhamsters grundsätzlich, die Bedeutung der Population im geplanten Neubaugebiet und die gesetzliche Situation ein.
Sehr geehrte Damen und Herren,
bevor Sie über die weitere Zukunft der Fläche Mittelbuchen Nordwest am 27.11.2017 entscheiden, möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie durch Ihr Votum für das Baugebiet möglicherweise das Aussterben des sehr selten gewordenen Feldhamsters im gesamten westlichen Main-Kinzig-Kreis mit zu verantworten haben. Die Thematik dürfte mittlerweile hinlänglich bekannt sein, anscheinend nicht jedoch deren Tragweite.
Die Tiere stehen unter strengem EU-Schutz.
Bundesweit ist diese Tierart in einem ungünstigen Erhaltungszustand, Tendenz sich verschlechternd und auf der Roten Liste (vom Aussterben bedroht). In bereits 7 Bundesländern ist der Feldhamster ausgestorben. (Siehe Liste-Feldhamstervorkommen)
Die Bereiche zwischen Mittel- und Wachenbuchen sowie Kilianstädten sind Kernflächen, der noch größten zusammenhängenden Feldhamsterpopulation Hessens im westlichen Main-Kinzig-Kreis; eine sogenannte Quellpopulation. Gemäß aktuellen Aussagen von Feldhamsterexperten sind die Bestände in den meisten Nachbargemarkungen fasst komplett zusammengebrochen oder stehen kurz davor. Eine Wiederbesiedelung der verwaisten Flächen kann mittelfristig deshalb nur aus dem Bestand dieser Quellpopulation erfolgen.
Die EU wurde deshalb bereits über die Planung des Baugebietes Mittelbuchen Nordwest informiert und stellte in einem Schreiben deutlich klar,
dass eine Artenschutzrechtliche Ausnahme in diesem Gebiet nicht zulässig ist.
Eingriffe in eine Population einer FFH-Anhang 4 Art sind nicht zulässig, wenn sich die Art in einem schlechten Erhaltungszustand befindet, auch dann nicht, wenn sich der Zustand der Population durch den Eingriff nicht verschlechtert. Eingriffe in Kernbereiche sind lt. Hessischem Faktenpapier grundsätzlich nicht genehmigungsfähig.
Hanau hat vor diesem Hintergrund einen zweiten Gutachter (Herr Raskin) zur „Problemlösung“ beauftragt.
Seine bisherigen Umsetzungen können Sie anhand der obigen Anhänge selbst beurteilen. Im Falle geplanter Umsetzungen werden artenschutzrechtliche Vorgaben und Gesetzte verdreht und zugunsten des Projektes falsch interpretiert. Eine vom Gutachter angestrebte Umsiedlung ist nicht mit der gesetzlichen Vorgabe einer CEF-Maßnahme vereinbar, darauf wurde die untere Naturschutzbehörde mehrfach hingewiesen.
Wie sich durch Einsicht in die Aktenlage anderer Eingriffe in hessische Feldhamsterpopulationen herausgestellt hat, sind diese durch ein mangelhaftes Kompensationsmanagement zusammengebrochen oder gar ausgelöscht worden.
Feldhamsterbestände reagieren sehr sensibel auf solche Eingriffe (das ist durch vergangene Eingriffe sehr gut dokumentiert) und es wird nicht nur den
betroffenen Tieren auf der Fläche massiv geschadet, sondern auch den Tieren auf den umliegenden Flächen.
Die Konstellation, dass die Mitarbeiter der unteren Naturschutzbehörde Herrn Kaminsky als Vorgesetzten haben, sollte zusätzlich zu denken geben.
Die Stadt Mannheim hatte ebenfalls Eingriffe in noch vereinzelte Populationen vorgenommen und zahlt dafür mit einem Nachzuchtprogramm, die im Heidelberger Zoo stattfindet, jährlich 120.000,-€. Leider sind diese bisher nicht erfolgreich, was wiederum an vielen Aspekten liegt, die man bei dieser Tierart berücksichtigen muss und Wiederansiedlungsprogramme scheitern lässt.
Die Bundesrepublik Deutschland hat die Pflicht, diese vom Aussterben bedrohte Tierart in einen günstigen Erhaltungszustand zu führen.
Dass der Schutz bestehender Populationen und derer dazugehörigen Lebensräume einen besonderen Stellenwert einnehmen versteht sich von selbst.
Sollte eine Schädigung der Population von Hanau verursacht werden, ist Hanau im Rahmen des Biodiversitätsschadenshaftungsgesetztes in der Haftung und damit in der finanziellen Pflicht.
Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass aufgrund von Verstößen gegen das Artenschutzrecht, speziell bei Feldhamsterbeständen in Frankreich, durch die EU, der ungenügende Schutz der Restpopulationen des Feldhamsters im Elsass, eine Androhung jährlicher Strafzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe zur Folge hatte.
Ich weise Sie außerdem ausdrücklich darauf hin, dass der geplante Eingriffsbereich in einem Bundesmonitoring Gebiet liegt und somit im besonderen Fokus der EU-Behörden steht. Die Flächen sind bei der EU gemeldet und es wird ein regelmäßiger Bericht an die EU zur Einhaltung der Auflagen der streng zu schützenden Art „Feldhamster“ in Deutschland erstellt ( Seite 61 Rechenschaftsbericht Biodiversität).
Aus diesem Grund wurden insbesondere in den Bereichen Mittel- und Wachenbuchen seit 2007 Artenhilfsmaßnahmen kontinuierlich aufgebaut und konzentriert und neben Landesmitteln u.a. von Naturschutzverbänden sowie Stiftungen teuer finanziert. Die jahrelangen intensiven Bemühungen des Landes Hessen, der Arbeitsgemeinschaft Feldhamsterschutz, der Naturschutzverbände und den Stiftungen, in der Umsetzung des gesetzlich vorgeschriebenen Artenhilfskonzepts, werden durch die Stadt Hanau bewusst ignoriert und durch die Planung des Neubaugebietes in dieser Kernzone konterkariert. Eine weitere Planungsumsetzung schadet massiv dem Ansehen Deutschlands und wird im Falle eines Zusammenbruchs der lokalen Feldhamsterpopulation mit gravierenden finanziellen Folgen nach dem Biodiversitätsschadenshaftungsgesetz für die Stadt Hanau einhergehen.
Hanau hat nach den Zielvorgaben der Bundesrepublik Deutschland und der EU darauf zu achten, dass die Biodiversitätsziele 2020 und 2050 eingehalten werden.
Sie alle sind in dieser Pflicht, dass nach diesem Abkommen der Artenschwund in Deutschland aufgehalten wird und dass Tierarten in einem ungünstigen Erhaltungszustand in einen günstigen Erhaltungszustand geführt werden. Dazu zählt neben einer ausreichenden Dichte von vorhandenen Tieren dieser Art, dass sich deren Lebensraum nicht verkleinert und auch in Zukunft nicht verkleinern darf. Laufende Bestandaufnahmen der sogenannten MKK-Population zeigen ein sehr besorgniserregendes Bild, da sich die Bestände weiterhin verschlechtern.
Vermehrte Schutzmaßnahmen sind dringend notwendig.
Hanau hat bereits ein Neubaugebiet Mittelbuchen-West entstehen lassen, ohne die notwendige Artenschutzprüfung vorgenommen zu haben und damit bereits gegen geltende Gesetze verstoßen. Wir sprechen von 11 Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche die Lebensraum von Feldhamstern war.
Weitere Eingriffe hätten für die schon ohnehin geschwächte Population gravierende Folgen.
Die Fakten wurden bereits sehr frühzeitig bei Planungsbeginn Herrn Kaminsky mitgeteilt. Auch ein Flächennutzungsplan ist nicht in Stein gemeißelt, besonders wenn sich, wie in diesem Fall, herauskristallisiert, dass die Belange des Artenschutzes überwiegen.
Die Aussage von Herrn Kaminsky wegen des zu lösendes Wohnraumproblems in Hanau muss die Bebauung erfolgen, lasse ich für dieses Projekt nicht gelten, da die zukünftigen Eigentümer dieser exklusiven und teuren Häuser mit großer Sicherheit „nicht obdachlos“ sind.
Ich erwarte gerade auch von den Stadtverordneten der Grünen mehr Engagement für den Umwelt- und Artenschutz vor unserer Haustüre, da diese oben aufgeführten besonderen Umstände bei etwaigen Koalitionsverhandlungen mit Sicherheit nicht bekannt waren.
Anstatt mit fragwürdigen Methoden zu versuchen dieses Bauprojekt mit allen Mitteln zu verwirklichen, sollte Hanau endlich die notwendige Einsicht zeigen und diese Planung, auf Grund der vorliegenden Informationen, nicht weiter forcieren .
Die weitere Zukunft von Hanau wird nicht von diesem Baugebiet abhängig sein, aber diese Kernfläche ist es für die Zukunft dieser Tiere in Hessen.
Diesen Umstand bedenken Sie bitte bei Ihren weiteren Abstimmungen.
Ich hoffe, Sie sind sich Ihrer Verantwortung und der sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Stadt Hanau bei Ihrer Entscheidung bewusst.
Sollten Sie sich gegen eine weitere Umsetzung der Bebauung entscheiden, zeigen Sie das notwendige Rückgrat einer Stadt, die das notwendige Verantwortungsbewusstsein und den notwendigen Respekt vor der Natur und den dort lebenden Tieren vor der eigenen Haustür hat.
Die Verpflichtung Natur, Tier- und Pflanzenarten zu schützen gestaltet auch die zukünftige Umwelt Ihrer Kinder und Enkelkindern.
Sehen Sie die noch letzte überlebensfähige Feldhamsterpopulation von ganz Hessen als Bereicherung, auch für eine Stadt Hanau, denn welche größere Stadt in Deutschland kann noch mit so einer großen Besonderheit aufwarten?
Für weitere Informationen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Heidi Ohl