Bürgerversammlung: Bericht Herr Sattler

  • M. Sattler AGF: Ich habe mich aufgrund der prekären Lage des Feldhamsters im MKK dazu entschlossen, noch einmal die artenschutzrelevanten Erfordernisse im Rahmen eines Faktenchecks korrekt darzulegen, da hier seitens der Eingriffsvorhabenden bzw. der Stadt Hanau Fehlinformationen verbreitet wurden, die wir fachlich nicht so im Raum stehen lassen können und die Auswirkungen auf den Fortbestand des Feldhamsters in unserer Region und in ganz Hessen haben.

    Fachliche Einwände und Bedenken, die schon frühzeitig im Rahmen von Sondierungsgesprächen im Frühjahr 2017 erläutert wurden, fanden leider keinerlei Berücksichtigung.

    Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch einmal ausdrücklich betonen, dass die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Feldhamsterschutz keine „Aktivisten“ sind – dies ist in diesem Zusammenhang eine despektierliche Bezeichnung – sondern eine fachliche Arbeitsgruppe, die das Land Hessen und die Bundesrepublik in der Wahrnehmung ihrer artschutzrechtlichen Verpflichtungen unterstützt, den Feldhamster wieder in einen guten Erhaltungszustand zu bringen oder zumindest das Aussterben dieser Art zu verhindern und damit dem Steuerzahler jährliche Strafzahlungen im dreistelligen Millionenbereich zu ersparen.

  • Der Feldhamster ist in der Bundesrepublik stark bedroht und in einigen Bundesländern bereits ausgestorben. Die letzten natürlichen Feldhamstervorkommen NRW sind erst kürzlich erloschen – weitere Bundesländer werden folgen.
  • Bestandsituation in Hessen: Populationsräume seit 1995 von 58 auf 26 gesunken, jedes Jahr Verlust eines Populationsraumes
  • Derzeit erleben wir im Populationsraum MKK einen Zusammenbruch an den Bestandrändern BRK-Roßdorf, Bergen-Enkheim, Bischofsheim, Hochstadt, Nidderau-Windecken, der nördliche MKK (Nidderau) bereits ohne Nachweise. Ein Verschwinden dieser Bestände ist in den nächsten ein bis zwei Jahren abzusehen.
  • Kernzone zwischen Mittelbuchen/Wachenbuchen und Kilianstädten sind die einzigen Bereiche, die sich leicht stabilisiert haben – eine Geberpopulation, die durch Abwanderung die Nachbarpopulation wieder aufbauen soll. Nach dem Eingriff wird ein Großteil des Kerngebietes nicht mehr dazu in der Lage sein, diese Funktion zu erfüllen und somit werden auch die Nachbarpopulationen geschädigt.
  • Die Tiere sind nicht – wie behauptet – zufällig auf der Durchwanderung, sondern es ist ein Lebensraum, der bei geeigneter Kultur dauerhaft oder wiederbesiedelt wird.
  • Der Behauptung, der Eingriff sei mit etwa 4 Hektar flächenbezogen nicht relevant, widersprechen wir ausdrücklich.

    Die Verbreitung im Populationsraum MKK ist sehr inhomogen und nur auf geeignete Böden beschränkt. Es handelt sich um einen Eingriff in einen Kernbereich der letzten genetisch gesunden Population im größten zusammenhängenden Populationsraums Hessen.

    Es ist ein Feldhamsterlebensraum, der besiedelt wird, wenn die geeignete Kultur darauf ist. Es sind nicht lediglich einzelne Individuen betroffen, sondern der gesamte Wirkungsbereich, der zukünftig durch Haustiere als zusätzliche Prädatoren, Straßenverkehr, Nutzungsdruck und aus dem Bauprojekt sich zwingend ergebende Folgeeingriffe beeinträchtigt wird und eine Fläche im dreistelligen Hektarbereich umfasst. Die eigentliche Gefährdung der Art erfolgt mit Inbetriebnahme des Wohngebietes und deren Folgeerscheinungen.
  • Der Eingriff steht konträr zu den Bemühungen des Landes Hessen, der Verbände und Stiftungen, die Art zu retten (Betrag nennen).
  • Bundesmonitoringgebiet: Berichtspflicht, bei Eingriff automatisch unabhängige Verschlechterung der Bewertung; kann zu einem EUVertragsverletzunsverfahren mit jährlichen Strafzahlungen im dreistelligen Millionenbereich führen.
  • Der Eingriff in eine Population mit schlechtem Erhaltungszustand ist rechtlich nicht zulässig, in Kernzonen sind Bauvorhaben grundsätzlich auszuschließen.
  • Es wird versucht, hier die Ursachen für das Aussterben des Feldhamsters ausschließlich der Landwirtschaft anzulasten, was nur zum Teil richtig ist und von der zweiten Hauptursache, nämlich Lebensraumverlust, Zerschneidung und Auswirkungen durch Nutzungsdruck (Verkehr, Haustiere, Freizeit) abzulenken. Namentlich genannt wurde die Staatsdomäne Kinzigheimer Hof durch Maisanbau.
  • Wenn Hanau richtigerweise Maisanbau so negativ bewertet, wie kann es sein, dass ein Landwirt, der mit der Staatsdomäne zusammenarbeitet, beauftragt wird, im Eingriffsbereich Mais anzubauen?
  • Der FNP kann nicht als Grundlage für eine Bebauung herangezogen werden, wenn dieser wegen artenschutzrechtlicher Belange rechtsfehlerhaft ist. Es hindert einen Eingriffsvorhabenden nicht, mögliche Probleme rechtzeitig zu prüfen. Ein Artenschutzkonflikt wie im vorliegenden Fall schließt eine Ausweisung als Bauland aus.
  • Die Behauptung, dass das Neubaugebiet durch die Ausgleichsflächen nachhaltig die Lebensraumbedingungen – insbesondere für den Feldhamster – sichern würde, ist schlicht und ergreifend falsch.

    Derzeit laufende Recherchen in anderen Bauprojekten mit eingreifender Wirkung beweisen das Gegenteil. In keinem Eingriff wurden die Zielvorgaben auch nur annähernd erreicht, und die Bestände sind nach den Eingriffen teilweise zusammengebrochen.

    Eine Kompensation im genannten Verfahren ist aufgrund der Folgeescheinungen nicht möglich. Es ist schleierhaft, wie sich die desolaten Bestände in der Ortsrandlage erholen sollen, die nach Inbetriebnahme des Wohngebietes schutzlos den Haustieren ausgeliefert sind.
  • Kompensation bedeutet, die Schadwirkung der Eingriffe auszugleichen ohne die Bestandsentwicklung der Art zu gefährden. Hierzu ist der Wirkungsbereich (Haustiere/Verkehr/Nutzungsdruck) zwingend miteinzubeziehen.

    Es wurde jedoch noch nicht einmal der Eingriffsbereich flächenbezogen den gesetzlichen Vorgaben von 1:1 kompensiert, sondern nur 2 Hektar. Zu allem Überfluss wurden die Feldhamstermaßnahmen aus Kostenersparnis „multifunktional“ mit denen der Feldlerche zusammengelegt, obgleich Fachleuten bekannt ist, das Feldhamster auch Vogelbruten zu sich nehmen.
  • Die Umsiedlung von Individuen und Zerstörung ihrer Lebensstätten ist ein Verbotstatbestand nach § 44(1) BNatSchG. Hierzu wird entgegen der Auffassung der Stadt Hanau eine Ausnahme benötigt, die allerdings eine Alternativenprüfung erfordert hätte.

    Dies wurde versucht mit einer sogenannten CEF-Maßnahme, einer vorgezogenen Ausgleichsmaßnahme, die an besondere Auflagen gebunden ist, zu umgehen. Neben der mittlerweile in diesem Rahmen zulässigen Umsiedlung sind jedoch die zerstörten Lebensstätten am Zielstandort zur Verfügung zu stellen. Dies ist jedoch bei einem komplexen System wie einem Feldhamsterbau nicht möglich, somit wäre dieses Verfahren rechtswidrig und nicht genehmigungsfähig.

Fazit: Wird dieser maximalinvasive Eingriff ausgeführt, stellt sich nicht die Frage, ob der Feldhamster in Mittelbuchen ausstirbt, sondern nur noch wann.

Das Aussterben wird schleichend und unbemerkt von der Öffentlichkeit erfolgen und irgendwann als Randnotiz wahrgenommen.

Eine Stadt wie Hanau hat ausreichend Flächen für Bauvorhaben, die Stadtentwicklung hängt nicht von 4 Hektar in Mittelbuchen ab.

Für den Feldhamsterbestand sind in seinem letzten Rückzugsraum die invasiven Auswirkungen und Folgeerscheinungen dieses Eingriffs über seinen Fortbestand jedoch von entscheidender Bedeutung. Darüber hinaus wird dieser Beschluss eine Signalwirkung auf andere Eingriffe haben, denn wenn ein Bauvorhaben selbst in einem Kernlebensraum beschlossen und genehmigt wird, dann werden andere Behörden dieser Entscheidung folgen.

In meiner langjährigen Tätigkeit im Naturschutz habe ich selten ein solches Ausmaß an herausfordernder Rücksichtlosigkeit in der Umsetzung eines Bauvorhabens erleben müssen wie in diesem Fall.